Energie aus der Spree

Spreewärme für den Berliner Südosten

Artikel in der stadt + werk, Ausgabe September, Stand: 20230824 / BTB

„Forelle 1+2“ nennen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Berliner Energieversorgers BTB GmbH die zwei neuen, leuchtend-blauen Flusswasser-Wärmepumpen im entstehenden Energiepark Schöneweide fast liebevoll. Der Name wurde aus der Spree und deren Fauna abgeleitet, die direkt am Kraftwerk vorbeifließt und deren Wasser die beiden Anlagen seit ca. zwei Monaten Wärme entziehen, um dieses in den Heißwasserkreislauf des rund 170 km langen Fernwärmenetzes der BTB einzuspeisen.

Das in der Region bisher einmalige Pionierprojekt ist Teil zweier iKWK-Systeme (innovative Kraft-Wärme-Kopplung), welche in baugleichen Stufen im Rahmen der Fernwärmeausbau-Strategie der BTB zwischen 2021 und 2023 umgesetzt wurden. Die Anforderungen für die iKWK sehen nach dem KWK-Gesetz einen regenerativen Wärmeanteil vor, welcher bei der BTB durch die Flusswasser-Wärmepumpen abgedeckt wird. Die konventionelle Komponente besteht aus vier neuen, hocheffizienten Gas-KWK-Motoren am Standort Adlershof, die mit einigen technischen Änderungen später aber auch auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet werden können. Als elektrische Wärmeerzeuger durften zwei CSN-Durchlauferhitzer als Bestandsanlagen aus dem Heizkraftwerk Adlershof in das iKWK-Projekt integriert werden. Die Gesamtleistung der beiden iKWK-Systeme liegt in Summe bei 32 MW th. und 18 MW el., die CO2-Reduktion wird pro Jahr mit ca. 14.000 t erwartet.

Die beiden individuell für die E.ON-Tochter BTB gebauten „Forellen“ mit je 3,5 MW thermischer Leistung und einer Heizleistung von zusammen ca. 7 MW gingen im Juli dieses Jahres in die Erprobung. Für die Entnahme der Umweltwärme aus dem Fluss muss das Spreewasser mindestens 8 Grad warm sein.  Die Flusswasser-Wärmepumpen arbeiten also in der Regel von Frühjahr bis Herbst, aber hauptsächlich in den Sommermonaten.

Kraftwerksleiter Sven Magaram hat die Anlagen zur warmen Erprobung vom Hersteller übergeben bekommen: „Wir freuen uns über die „frischen Fische“ in unserem schon etwas älteren Kraftwerk, die mein Team und ich nun betreuen. Der Testbetrieb läuft erfolgreich und die ersten Ergebnisse liegen sogar über unseren Erwartungen. Wir sind gespannt darauf, ob die geplanten jährlichen Betriebszeiten mit ca. 3.200 Stunden/Jahr richtig kalkuliert waren. Wir wollen jedenfalls rund die Hälfte des Sommer-Wärmebedarfes unserer Kunden mithilfe der Flusswasser-Wärmpumpen decken.“

 

Und wie funktioniert die Technologie, die auch für die Ingenieure der BTB Neuland bedeutet, nun in der Praxis?

Zunächst strömt Flusswasser von der Spree in einen zum Einlaufbauwerk gehörenden Kanal ein. Zum Schutz der Fische erfolgt dies nur mit leichtem Unterdruck und entsprechenden Sicherheitsvorrichtungen. Bevor das Wasser in dem unterirdischen Kanal rund 100 Meter in die neu errichtete Wärmepumpenanlage - bestehend aus Pumpen- und Maschinenhaus - weiterfließt, wird es mehrstufig in einer Grob- und Feinrechenanlage mit automatischen Reinigungssystemen gefiltert.

Im Untergeschoss des Pumpenhauses angekommen, sammelt sich das Spreewasser in einem Becken. Tauchpumpen entnehmen daraus das Flusswasser, welches für die weitere Verwendung aufbereitet wird, zum Beispiel durch Filterung kleinerer Verunreinigungen, und fördern es weiter zu den Großwärmepumpen, die sich im benachbarten Maschinenhaus befinden, - dem Herzstück der gesamten Anlage.

Die Großwärmepumpen des Herstellers Friotherm entziehen dem warmen Spreewasser über  Rohrbündelwärmeübertrager einen Teil ihrer Wärmeenergie. Danach wird die so gewonnene Wärmeenergie in der zweiten Stufe des Wärmepumpenverfahrens auf das benötigte Temperaturniveau des Fernwärmenetzes, also auf eine Vorlauftemperatur von über 90 Grad Celsius angehoben. Dies geschieht durch Verdampfen und Verflüssigen von Kältemittel und Abgabe der Phasenwechselenergie an das Heißwassersystem.

Schließlich fließt das Spreewasser, um etwa 4 Grad Celsius abgekühlt, durch ein Auslaufbauwerk wieder in die Spree zurück. Das abgekühlte Wasser hat auch positive Effekte für das Ökosystem des Flusses, indem das Sauerstoffbindungsvermögen erhöht wird.

Und das ist in punkto Nachhaltigkeit nicht der einzige positive Effekt des Wärmepumpen-Projektes, wie der bei der BTB für die Fernwärme zuständige Geschäftsführer David Weiblein betont: „Mit der Umweltwärme aus der Spree leiten wir den Kohleausstieg im Heizkraftwerk Schöneweide ein, der bereits Ende 2024 erfolgen wird. Mit verschiedenen nachhaltigen Erzeugerbausteinen bauen wir den Standort dann bis 2030 zu einem hochmodernen Energiepark um. Auch wenn unsere Fernwärme schon heute einen Anteil von ca. 60% erneuerbaren Energien enthält und darüber hinaus auf einen KWK-Anteil in der Fernwärmeerzeugung von über 75% verweisen kann, setzen wir unsere Ausrichtung auf eine grüne Zukunft der Energieversorgung konsequent fort.“


Zum Autor:

Der Dipl. Wirtschaftsingenieur Sebastian Matthies (TU Berlin) ist seit 10 Jahren für die BTB GmbH mit den Schwerpunkten Kraftwerkseinsatzoptimierung, Energiemanagement, Energiewirtschaftsrecht und Fördermittel tätig. Nach 9 Jahren im Bereich der Energiewirtschaft wechselte er vor einem Jahr in die strategische Unternehmensentwicklung mit dem Fokus auf innovativen Systemen.